Donnerstag, 6. Februar 2014

Nochmal kurz zum Gewissen

»Sie [d.i. die Kirche] muss deutlich machen, dass sie die Lebenserfahrung und die Gewissenskompetenz ihrer Gläubigen respektiert, hochschätzt und sie als Quelle ihrer eigenen ethischen Urteilsbildung betrachtet.«

So der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff in seiner Äußerung zu den "Ergebnissen" der Katholikenbefragung in Deutschland (hier).

Ich hatte vor etwas über einer Woche hier (klick) einen recht langen Beitrag veröffentlicht, der, v.a. anhand der Enzyklika Veritatis Splendor von 1993, mit vielenvielen Zitaten darlegen wollte, was das Lehramt der Kirche (und mithin die Väter des letzten Konzils!) unter "Gewissen" versteht. Weil der Beitrag wohl doch etwas Überlänge bekommen hat (in Word etwa 16 Seiten...) und vllt. darum nur wenig gelesen wurde, will ich das, auch als kleine Replik auf jenes Schockenhoff-Zitat, hier nochmal in kurz zusammenfassen... ein Versuch wenigstens.

Was in jener Enzyklika noch als im Widerspruch zur kirchlichen Lehre stehende "Tendenzen" der Moraltheologie bezeichnet werden konnte, ist heute soetwas wie das Grundgesetz der Moraltheologen. Es ist der Kanon, an dem sich eigentlich alles auszurichten hat. Dies gilt besonders für den heute gängigen und so dermaßen falschen Begriff von "Gewissen", weshalb es unglaublich schwer ist, das jemandem klar zu machen.

Heute wird das Gewissen des Einzelnen im Wesentlichen autonom gedacht, sodass dem Individuum aufgrund seines Individuumseins bereits eine "Gewissenskompetenz" zugesprochen wird die als oberste und letzte Instanz des Handelns angesehen wird. So sehr, dass, wie im obigen Zitat gut ersichtlich, sich sogar die kirchliche Lehre dem zu beugen habe.

Das beständige Lehramt der Kirche aber, und darin auch das Zweite Vatikanische Konzil, das an verschiedenen Stellen (v.a. GS 16) auf das Gewissen zu sprechen kam, versteht unter "Gewissen" etwas ganz anderes: Das Gewissen ist etwas, das gebildet (auch im Sinne von belehrt!) werden muss und ein Leben lang lernen muss. Das Gewissen treibt den Menschen zum Tun dessen, was gut ist, aber es ist dabei nicht auf sich gestellt, sondern muss an dem ausgerichtet und orientiert sein, was die Kirche Jesu Christi mit ihrer von Christus verliehenen Autorität verkündet. 
»Das Gewissen muß geformt und das sittliche Urteil erhellt werden. Ein gut gebildetes Gewissen urteilt richtig und wahrhaftig. Es folgt bei seinen Urteilen der Vernunft und richtet sich nach dem wahren Gut, das durch die Weisheit des Schöpfers gewollt ist. Für uns Menschen, die schlechten Einflüssen unterworfen und stets versucht sind, dem eigenen Urteil den Vorzug zu geben und die Lehren der kirchlichen Autorität zurückzuweisen, ist die Gewissenserziehung unerläßlich.« (KKK 1783)
»Bei der Gewissensbildung ist das Wort Gottes Licht auf unserem Weg. Wir müssen es uns im Glauben und Gebet zu eigen machen und in die Tat umsetzen. Auch sollen wir unser Gewissen im Blick auf das Kreuz des Herrn prüfen. Wir werden dabei durch die Gaben des Heiligen Geistes und das Zeugnis und die Ratschläge anderer unterstützt und durch die Lehre der kirchlichen Autorität geleitet.« (KKK 1785)

Wenn das Gewissen nicht dem folgt, was das Lehramt der Kirche in Moralfragen zu halten vorlegt, dann irrt es. Das ist auch ganz logisch, denn wenn die Kirche die authentische Bewahrerin und Verkünderin der göttlichen Gesetze ist (und das ist Glaubenssatz, dass das so ist!), dann ist eine Abweichung von diesen von der Kirche bewahrten und verkündeten Gesetzen ein von Gott wegzielender Irrtum. Dies ist das "irrende Gewissen", das auch das Zweite Vaticanum nicht unerwähnt lässt, das heute aber scheinbar nicht mehr existiert. Es ist heute de facto eigentlich nicht mehr möglich, dass sich das Gewissen irrt, weshalb es ja auch als oberster Gesetzgeber fungieren können soll.
»Unkenntnis über Christus und sein Evangelium, schlechte Beispiele  anderer Leute, Verstrickung in Leidenschaften, Anspruch auf eine falsch verstandene Gewissensautonomie, Zurückweisung der Autorität der Kirche und ihrer Lehre, Mangel an Umkehrwillen und christlicher Liebe können der Grund für Fehlurteile im sittlichen Verhalten sein. « (KKK 1792)

Die Gewissensfreiheit des Menschen besteht in der Freiheit zum Guten. Das Gute ist daran zu erkennen, dass die Kirche es kraft ihrer Autorität als solches zu tun und zu halten vorlegt. Der Mensch hat die Pflicht seinem Gewissen zu folgen.
Wenn Zweifel ob der korrekten Handlungsweise bestehen, dann ist der Katholik verpflichtet, auch wider vermeintlich besseres Wissen der Lehre der Kirche zu folgen. Ist jedoch der Irrtum des Gewissens so groß, dass er unüberwindbar ist (die unüberwindliche Überzeugung, dass dies oder jenes richtig ist, obwohl es der Lehre der Kirche widerspricht), dann ist der Mensch verpflichtet, auch diesem irrenden Gewissen zu folgen. Das ist der (auch vom letzten Konzil formulierte) Fall, in dem eine vom natürlichen (und von der Kirche verkündeten) Moralgesetz abweichende Handlungsweise zulässig ist. Aber es handelt sich hierbei eben um einen Irrtum, weshalb diese Handlungsweise niemals zum neuen Gesetz erhoben werden kann.

Glaube und Moral sind nicht zu trennen. So wie es den Glaubensirrtum gibt, gibt es auch den Irrtum in Fragen der Moral. In beiden Fällen nennt man eine willentliche Abweichung "Häresie". So ist denn nun auch das, was Herr Schockenhoff sagt, völlig abwegig: Sowenig wie die "Ideen" des Einzelnen die von der Kirche bewahrten Glaubenswahrheiten ändern können, sowenig kann das "Gewissen" des Einzelnen die Morallehre der Kirche ändern. Beides hat seine einzige Quelle in der göttlichen Offenbarung, also in der Heiligen Schrift und in der Tradition.


PS. Bei drängenden Regungen zu Kritik oder bei eventuellen Unklarheiten empfehle ich die Lektüre des verlinkten ausführlicheren Beitrags, dies hier ist wirklich nur ein Versuch einer extrem knappen Zusammenfassung.

1 Kommentar:

  1. "Sowenig wie die "Ideen" des Einzelnen die von der Kirche bewahrten Glaubenswahrheiten ändern können, sowenig kann das "Gewissen" des Einzelnen die Morallehre der Kirche ändern. Beides hat seine einzige Quelle in der göttlichen Offenbarung, also in der Heiligen Schrift und in der Tradition."

    Und hier ein extrem knappes Fazit ;-) - Wer das anders sieht, dann

    1. der glaubt nicht daran, dass sich GOTT in der Heiligen Schrift und in der Tradition offenbart hat (es fällt auf, dass stets von der "unbarmherzigen" *kirchlichen* Lehre die Rede ist!)

    2. der stellt sich gegen Seinen Willen (inwieweit das bei einem "praktizierenden" Katholiken nicht willentlich geschehen mag, ist mir allerdings schleierhaft)

    Eine andere Möglichkeit sehe ich nicht. Mit anderen Worten: entweder mangelnder Glaube (bzw. Abfall) oder Rebellion...

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