Dienstag, 7. August 2012

Evolutions-Theorie(n)?!

Es wird nicht selten (von Leuten die aus welchen Gründen auch immer die Realität der Evolution anzweifeln) der Vorwurf erhoben, die Wissenschaft habe "Darwinismus" als Dogma definiert und es sei nicht erlaubt daran zu rütteln. Darwins Schriften seien zur heiligen Schrift hochstilisiert und alles dem widersprechende werde somit Automatisch bekämpft. "Evolution ist eine Religion", so lautet nicht selten die Parole. Der "Darwinismus", als Bezeichnung für eine vermutete Ideologie, sei an der Macht und lasse nichts Widersprechendes zu.
Natürlich ist jeder frei sowas zu denken, aber warum werden dann nicht auch die "Schwerkraftgläubigen" endlich als Religionsgemeinschaft anerkannt?

Anyway, zum Thema: Ich habe an einigen Beispielen ausgeführt, warum Evolution einfach nur ein in der Natur der Lebewesen vorkommendes Phänomen ist und nicht mehr. Erklärt wird dieses Phänomen von der "Theorie der Evolution", in ihrer gegenwärtigen Form die "synthetische Theorie der Evolution". Dass ich von einer "gegenwärtigen Form" spreche, beinhaltet eigentlich schon die Lösung des Problems: Evolution (bzw. die sie beschreibende Theorie) kann garkein Dogma sein, denn, wie jede Theorie, verändert sie sich ständig. Zur Erinnerung: Fakten sind einfach nur die beobachtbaren Dinge und Prozesse in der Natur. Eine Theorie dient dazu, alle relevanten Fakten zu erklären. Unsere Theorie der Gravitation erklärt die Tatsache, dass Masse eine Anziehungskraft auf andere Massen ausübt, die Evolutionstheorie erklärt die Tatsache, dass Lebewesen sich unaufhörlich an ihre Umwelt anpassen (was übrigens eine der Eigenschaften ist, die das Leben von Unbelebtem, z.B. Steinen, unterscheiden).

Im Folgenden setze ich voraus, dass zumindest die Wikipedia-Artikel die ich beim letzten Mal verlinkt habe gelesen wurden und dem geneigten Leser dieser kleinen Serie klar ist, wie Mutation und natürliche Selektion als wichtigste Mechanismen der Evolution dieselbe bewirken.


Es wird auch diesmal wieder historisch: Ein bisschen Wissenschaftsgeschichte. Ich will damit zeigen, dass es in der Scientific Community keineswegs einen Kult um Darwin oder irgendwelche "darwinistischen Dogmen" gibt und zugleich einen Einblick geben in die Vielfalt dessen, was man umgangssprachlich plump mit "Evolutionstheorie" bezeichnet.
(Wenn hier von verschiedenen "...ismen" die Rede ist, dann einfach darum, um die jeweiligen Ideen irgendwie zu bezeichnen... der Einfachheit halber nach ihren Begründern. Das hat mit Ideologie nichts zu tun.)
Beim nächsten Mal werde ich erstmal weg von "Evolution", hin zu "Schöpfung" gehen. Dann werde ich das Verhältnis der Beiden und das von Wissenschaft und Religion überhaupt behandeln.


Die Idee, dass die Lebewesen der Erde sich im Laufe der Zeit entwickelt haben, ist nicht neu. Bereits vor Aristoteles gab es Naturphilosophen, die dieser Frage nachgingen (als einer der frühesten gilt Anaximander um 600 v. Chr.). Auch andere griechische, römische und später zahlreiche islamische Gelehrte hatten bereits diese Idee der veränderbarkeit der Lebewesen. Sogar in China gab es bereits im 4. Jhd. v. Chr. derartige Überlegungen (hier wurde auch bereits der Mensch als Teil dieses Prozesses erkannt). Es passierte aber erst im 19. Jahrhundert, dass sich die Hinweise auf solch eine Abstammung mehrten (Geologie), außerdem hatte man inzwischen eine naturwissenschaftliche Methodik mit der man gezielt arbeiten konnte. Soll heißen, man hat nichtmehr nur per Diskussion und Logik die Wahrheit gesucht (wie es in der Antike und in der Scholastik üblich war), sondern in der Praxis, in der Beobachtung, im Experiment. Das ist übrigens ein Vorgehen, das im Wesentlichen eine christliche Erfindung ist, v.a. durch Leute wie Albertus Magnus († 1280), Wilhelm von Ockham († 1347) und Johannes Buridan († 1360); es wurde aber erst durch Leute wie Kepler und Galilei wirklich angewendet, vorher war es eher etwas "Sonderbares".

Das revolutionäre an den Ideen von Charles Darwin war nicht "Evolution"; diese Überlegung war bereits in den Jahrzehnten vor ihm wieder aufgeflammt. Darwins Verdienst liegt darin, dass er es als erster geschafft hat zu erklären wie es zu einer Entwicklung kommt. Und das war kein Pappenstiel, denn was er dafür tat, ist ziemlich genial: Er stellte eine Verbindung her, zwischen der anorganischen, unbelebten Welt, und der Welt des Lebens. Zu Deutsch: er entwickelte das Konzept der "natürlichen Selektion". Die Idee war grandios, denn so konnte tatsächlich erklärt werden, wie Evolution funktioniert. Natürlich Gegebenheiten entscheiden darüber, wer Überlebt und wer nicht. Wenn ein Tier kein Fell hat das es wärmt und es kommt eine Kälteperiode, stirbt es aus, so einfach ist das. Ein anorganischer Faktor, ein unbelebtes Ereignis, selektioniert. Übrigens war Darwin nicht der einzige, der diese Idee hatte: Zeitgleich mit ihm entwickelte der Brite Alfred Wallace unabhängig von ihm ebenfalls ein Konzept der natürlichen Selektion, das er dann auch zeitgleich mit ihm veröffentlichte (die beiden waren vor der Veröffentlichung bereits in Kontakt).

Darwins große Tat bestand also darin, dass er einen Mechanismus präsentierte, der als treibende Kraft die "Evolution" (die angesichts der Fakten kaum mehr zu leugnen war) erklären konnte. Zwei Beobachtungen waren dafür entscheidend: 1. Es werden immer mehr Nachkommen produziert als letztendlich überleben. 2. Diese Nachkommen sind immer ein wenig "anders" als ihre Eltern. Die Folge ist, dass die Nachkommen, die besser an die Umgebung angepasst sind, statistisch gesehen eine bessere Chance haben zu überleben um sich fortzupflanzen und so ihre (angepassteren) Merkmale weiter zu vererben. Darwins Idee der "natürliche Selektion" ist sofort intuitiv einsichtig.

Bei der natürlichen Selektion
- hat die Umgebung (der Lebensraum) eine aktive Rolle inne,
- haben Fluktuationen (Mutationen) nur eine Passive Rolle, da sie zufällig sind und durch ihre Vielzahl auch solche entstehen, die dann quasi durch die Umwelt selektioniert werden; und
- der Kernpunkt ist, dass nur die Merkmale weitervererbt werden, die einen Einfluss auf die "Fitness" ("survival of the fittest" bedeutet übersetzt: "Überleben des am besten angepassten", nicht "... des Stärkeren"; engl. "to fit": passen) und damit den Reproduktionserfolg haben. Darum spielt zweigeschlechtliche Fortpflanzung eine so wichtige Rolle bei der Natürlichen Selektion (mehr genetische Vielfalt).

"Natürliche Selektion" war nicht die einzige Möglichkeit die zur Zeit Darwins als "Triebmittel der Evolution" möglich schien. Jean Baptist de Lamarck entwickelte ca. 50 Jahre vor Darwin eine These die man als "Transformismus" bezeichnen kann (oder "Lamarckismus", nach seinem Hauptvertreter). Lamarck beobachtete, dass bestimmte Merkmale sich im Laufe des Lebens eines Individuums verändern (z.B. die Muskulatur), und so erschien es plausibel, dass Evolution auf diese Weise verfährt: Durch körperliche Veränderungen im Leben eines Individuums.

Beim Lamarckismus
- spielt die individuelle Anstrengungen die zentrale Rolle,
- Merkmale werden verändert, je nach Gebrauch oder Nichtgebrauch und
auf diese Weise erlangte Charakteristika können an die nächste Generation weitergegeben werden.

Darwin, trotz der großen Differenz des Lamarckismus zu seiner eigenen Idee, bemerkte, dass seine Hypothese im Gegensatz zu jener ein großes Manko hatte: sie konnte nämlich nicht erklären wie denn nun eigentlich Merkmale weitervererbt werden. (Ihm fehlte das, was wir heute als "Genetik" kennen!) Das führte dazu, dass er prinzipiell die Idee des Lamarckismus akzeptierte. Man spricht dabei von der (historischen) "Pangenesishypothese". Sie geht im Prinzip auf die griechischen Philosophen der Antike zurück. Diese Idee geht davon aus, dass die Keimzellen etwa eines Tieres Sammelsurien aus verschiedenen Körperbereichen sind, sodass also somatische Zellen und deren Erbinformation die Grundlage der Vererbung würden (man dachte sich das so: in jedem Spermium ist eine winzig kleine aber akkurate Kopie des Menschen drin, ein Homunkulus, der dann in der Mutter heranwächst). August Weismann († 1914), der vielleicht bedeutendste Evolutionsbiologe des 19. Jahrhunderts, nach Darwin, bewies, dass es keinen Transfer genetischer Informationen von Körperzellen (somatische zellen) zu Fortpflanzungszellen (Keimbahnzellen, Gameten) gibt, somit können dort erworbene Merkmale nicht an die Nachkommen vererbt werden. Egal wie gut man trainiert, man wird dadurch nie muskulöse Kinder bekommen. (Heute erscheint uns das absurd, damals wusste man es eben nicht besser... Weismann widerlegte die Pangenesishypothese dadurch, dass er Mäusen den Schwanz abschnitt und sie dann Nachkommen zeugen ließ: die Nachkommen wurden mit Schwanz geboren, also geschieht Vererbung nicht durch somatische Zellen.)
Es sei noch angemerkt, dass selbst 50 Jahre nach der "Entdeckung" der natürlichen Selektion durch Darwin viele Wissenschaftler den Lamarckismus als eine ernstzunehmende Alternative zum "Darwinismus" betrachteten.

Eine weitere "Evolutionstheorie" aus jener Zeit ist der sogenannte "Mutationismus". Diese Idee, begründet auf frühen Erkenntnissen der Genetik, wurde von mehreren Wissenschaftlern in verschiedenen Ausführungen formuliert (z.B. Hugo de Vries und Thomas Hunt Morgan). In Kurz: Es schien so, als ob Organismen die Fähigkeit hätten, Mutationen spontan hervorzurufen, die dann bedeutende Auswirkungen auf die Form und Funktion ihrer Nachkommen haben können. "Mutationisten" nehmen an, dass Evolution von diesen Veränderungen verursacht wird und nicht etwa durch graduellen Veränderungen die durch Natürliche Selektion zustande kommen.
Mit den Jahren wurden die meisten dieser Ansätze jedoch verworfen. Thomas Morgans Ansatz (er bezog die Selektion mit in seine Hypothese ein) hat jedoch noch heute eine gewisse Bedeutung in der Biologie (dazu gleich mehr).

Beim Mutationismus (Morgans Variante)
- spielen Mutationen die aktive Rolle, um evolutive "Neuerungen" hervorzubringen,
natürliche Selektion wirkt wie ein Sieb und sorgt dafür, dass positive Mutationen bewahrt bleiben, während schädliche Mutationen ausgesondert werden (negative Selektion).
Im Unterschied zur natürlichen Selektion Charles Darwins,
- können neue Merkmale auch dann vererbt werden, wenn sie nicht dem Fortpflanzungserfolg zuträglich sind (neutrale Mutationen). So kann Evolution auch in einer gleichbleibenden Umwelt bedeutende Veränderungen hervorbringen.

In der Frühzeit der Evolutionsforschung, hatte man noch keinen wirklichen Mechanismus gefunden, wie denn nun eigentlich Vererbung stattfindet, was der Grund für viele Streitigkeiten zwischen diesen rivalisierenden Erklärungen war. Man wusste einfach nicht wie! Das Wiederfinden der Erkenntnisse von Gregor Mendel († 1884) -- er war übrigens Priester und Abt des Augustiner-Klosters in Brünn, wo er auch forschte -- Anfang des 20. Jahrhunderts, hat zunächst noch mehr Kontroversen verursacht, denn seine Ergebnisse über die Vererbung bei Bohnenpflanzen, widerlegten Darwins (bzw. Lamarcks) Thesen zur Vererbung und schienen den Mutationismus gegenüber allen anderen Erklärungsmodellen für die Evolution zu begünstigen.
In den 30er Jahren haben zahlreiche Wissenschaftler Darwins These der natürlichen Selektion und die Erkenntnisse Mendels mit einander versöhnt, indem sie sie in einem neuen theoretischen Rahmen vereint haben, nämlich in der "synthetischen Theorie der Evolution" (auch: "Neo-Darwinismus"). Vereinfacht sagt dieses "neue Modell" aus, dass der hauptsächliche "Akteur" der Evolution die natürliche Selektion ist, die auf der Grundlage von zufälligen genetischen Mutationen und Rekombinationen agiert. Außerdem brachte dieses Modell die Populationsforschung in die Evolutioswissenschaft ein, was die Evolutionsbiologie auch zu einem sehr mathematischen Gebiet werden ließ.

Die erste große Herausforderung an diese "neue Evolutionstheorie" kam in den späten '60ern durch Motoo Kimura († 1994) und heißt "neutral theory of molecular evolution" (neutrale Theorie der molekularen Evolution). Er kam zu der Erkenntnis, dass die allermeisten Veränderungen auf der Ebene der DNA und der Aminosäueren keine Auswirkungen auf den Organismus hatten und somit keine Basis für die natürliche Selektion hergaben, auf der diese arbeiten (selektionieren) konnte. Die betroffenen DNA Abschnitte evolvieren dennoch weiter, ohne Selektionsdruck.

Bei der "neutralen Theorie"
- haben die meisten Mutationen auf molekularer Ebene (DNA, Aminosäuren) keinen Einfluss auf die "Fitness" (Überlebenschance, Fortpflanzungserfolg) des Organismus.
Somit erfolgt molekulare Evolution hauptsächlich durch Gendrift, einem statistischen Effekt, der Mutationen auch beim Fehlen eines selektionierenden Drucks bewahren kann.
Kimura betont, dass diese "neutrale Evolution" v.a. auf molekularer Ebene geschieht, während die natürliche Selektion auf der Ebene des gesamten Organismus (Phänotyp) die Hauptrolle spielt.


Als nächstes Kapitel in der "Konkurrenz" zu Darwins Ideen wäre die Hypothese des "Punktualismus" (punctuated equilibrium) zu nennen, sie wird v.a. von Seiten der Paläontologen viel beachtet. Vor allem entwickelt wurde sie durch Niles Eldredge und Stephen Jay Gould († 2002) in Anlehnung an die Arbeit von Ernst Mayr († 2005);die beiden Letztgenannten gehören nach einhelliger Meinung zu den bedeutendsten Evolutionsbiologen des 20. Jahrhunderts.
Eldredge und Gould bemerkten in den Fossilien, dass Evolution nicht so graduell abzulaufen schien, wie es Darwin vorhergesagt hatte. Anstatt gemächlichen Schrittes Merkmale immer stärker auszuprägen, schien es, als ob die Lebewesen sich in schnellen Schüben entwickelten, gefolgt von langen "ruhigeren" Perioden ("schnell" bezieht sich hier auf geologische Zeiten, kann also durchaus auch mal einige Jahrmillionen bedeuten). Gould vermutete, die Erklärung dafür sei, dass Speziation (Artbildung) regelmäßig und schnell in kleinen isolierten Populationen geschieht. Wenn also eine kleine Gruppe vom Rest einer Spezies abgesondert wird (z.B. durch Wanderung), kann diese sich schneller verändern als die große Population; kommt diese "abgespaltene" Population dann nach einer solchen "schnelleren Entwicklung" (weil kleinere Population) wieder in das alte Gebiet zurück, können sie sich nicht mehr mit ihren alten Verwandten paaren; eine neue Spezies scheint somit "plötzlich" in dem angestammten Gebiet aufgetaucht zu sein, obwohl in Wirklichkeit Wanderungen mit dafür verantwortlich sind. Darwin glaubte hingegen, dass diese Abläuft sehr viel "glatter" abliefen und bedeutende Artbildungen sich besonders in großen Populationen ereigneten. Zwar zweifelte Gould nicht an Darwins Konzept der natürlichen Selektion, aber er stimmte mit ihm nicht überein, was seine Erklärungen zur Artbildung anlangt.

Kontrastierend zu Gould und Eldredge, stellt der Molekularbiologe Masatoshi Nei die Bedeutung der natürlichen Selektion für den evolutiven Prozess aber durchaus infrage. [Und, nein, er ist dafür nicht auf den Scheiterhaufen gekommen: Nei ist Mitbegründer der "Society for Molecular Biology and Evolution" und hat 2002 den Internationalen Preis für Biologie erhalten, mit dem auch der schon genannte Ernst Mayr, wohl der bedeutendste Vertreter der synthetischen Theorie der Evolution im 20. Jahrhundert, ausgezeichnet wurde.]
Seine Ideen sind ähnlich denen von Morgans Mutations-Selektions Hypothese und Kimuras neutraler Evolution und gründen auf aktuellen Beobachtungen von multigenen Populationen und ihren Geburten- und Todesraten.

Beim "Neomutationismus"
- wird also auch die größere Bedeutung von Mutationen gegenüber der (hier untergeordneten) natürlichen Selektion für die Veränderungen im Phänotyp der Lebewesen betont.



Das war jetzt mal ein schneller aber hoffentlich nicht zu harter Ritt durch die bisherige Geschichte der Evolutionstheorie.
Es gibt keine Kontroverse in der Welt der Wissenschaft, ob Evolution stattgefunden hat, immernoch stattfindet und stattfinden wird, es ist anerkanntes Faktum, so wie Gravitation Fakt ist und von jedem gesunden Menschen anerkannt ist. Was es aber gibt, sind vielfältige Versuche die Mechanismen der Evolution zu ergründen. Besonders wichtig ist dabei die Frage nach dem Zusammenspiel von "inneren" Faktoren (also z.B. Mutationen) und äußeren Einflüssen. Alle genannten Forscher waren bzw. sind hoch verdiente Biologen die sehr viel Anerkennung genießen und wichtige Beiträge zur Wissenschaft des Lebens geleistet haben und nachwievor leisten (selbst dann, wenn sich später herausstellen sollte, dass sie falsch lagen; dann weiß man zumindest, wie es nicht geht).
Charles Darwin gilt als Begründer der modernen Biologie, dafür gilt ihm eine gewisse Verehrung (vgl. Newton und Einstein als Begründer der modernen Physik!), aber seine Schriften haben nicht mehr Autorität als die jedes anderen bedeutenden Forschers. Wie ich hoffentlich zeigen konnte, ist heute jedem Biologen klar, dass Herr Darwin, wie unzählige andere auch, sich in einigen Punkten deftig geirrt hat. Das ist nichts ungewöhnliches... nur so sind Wissensfortschritte möglich!


Derzeit tut sich enorm viel in der Evolutionsbiologie. Evo-Devo habe ich bereits in einem früheren Eintrag in dieser Serie erwähnt: Dabei werden Erkenntnisse aus der Individualentwicklung (v.a. Embryologie) zur Erforschung der Evolution herangezogen und umgekehrt.
Die Theorie der Evolution, die, wie jede andere Theorie, im ständigen Wandel (hoffentlich: Verbesserung) begriffen ist, ist eine der Grundpfeiler der modernen Naturwissenschaft (inklusive Medizin!), denn sie hat den Prozess zum Gegenstand, der allem Leben Gestalt und Vielfalt gibt und ihre grundlegenden Aussagen (Veränderung im Laufe der Zeit und die daraus resultierende Verwandtschaft allen Lebens auf der Erde) haben einen Gewissheitsgrad, der sie in eine Reihe mit der Erkenntnis der Bewegung der Erde um die Sonne und anderen, für uns heute Lebende alltägliche, Wirklichkeiten stellt.



PS. Zuweilen kursiert das Gerücht, Darwin sei durch seine Theorie zum Atheisten geworden. Das ist ein lächerliches Märchen. (Evolution ist, wie jedes Naturphänomen, weltanschaulich neutral und, frei nach Paulus, in ihrer Schönheit eher noch ein Hinweis auf Gott, als gegen ihn.) Darwin begann an einem wohlwollenden Gott zu zweifeln, nachdem seine Lieblingstochter Annie starb. Seine Überlegungen zur natürlichen Sektion waren zu dem Zeitpunkt schon lange ausgearbeitet. Tatsächlich betrachtete Darwin die Evolution als Teil von Gottes "Methode" des Schaffens und die Religion als evolutionär entstanden. Sich selbst betrachtete er ausdrücklich nicht als Atheist (in späteren jahren bezeichnete er sich als Agnostiker). Sein Monumentalwerk "Die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl" endet wiefolgt:
»Es ist wahrlich eine großartige Ansicht, dass der Schöpfer den Keim alles Lebens, das uns umgibt, nur wenigen oder nur einer einzigen Form eingehaucht hat, und dass, während unser Planet den strengsten Gesetzen der Schwerkraft folgend sich im Kreise geschwungen, aus so einfachem Anfang sich eine endlose Reihe der schönsten und wundervollsten Formen entwickelt hat und noch immer entwickelt.«

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