Samstag, 18. August 2012

Biblischer Sarkasmus

»Das Wort des Herrn erging an mich: Wie kommt ihr dazu, im Land Israel das Sprichwort zu gebrauchen: Die Väter essen saure Trauben und den Söhnen werden die Zähne stumpf?« (Ez 18,1-2)

Dieses durchaus sarkastische Sprichwort veranschaulicht ein Missverständnis, wie es in der Zeit des AT häufiger unter den Israeliten/Juden aufkam, bis in die Zeit Jesu hinein; dass nämlich die Söhne für die Sünden ihrer Väter büßen müssen. Das ganze Kapitel 18 bei Ezechiel befasst sich mit dieser Problematik. Die heutige Lesung rafft das ganz gut zusammen.

Mir scheint, heute haben wir ein ähnliches Problem wie die Israeliten damals: Ihr Verständnisproblem lag darin begründet, dass sie (meistens) kein Leben nach dem Tod im Blick hatten und darum irdisches Ungemach endgültig schien. Uns geht es schlecht, ergo muss etwas falsch sein. Das Volk Gottes in der Verbannung sah, dass ihre Väter in ihrem eigenen Land sterben durften, sie aber sind verschleppt... sie sind sich selbst keiner Schuld bewusst und suchen diese bei den Vätern die scheinbar nicht bestraft wurden.

Man kann das ganze Kapitel auch mit Jer 31,29-30 zusammenfassen, wo uns dieses Sprichwort das zweite Mal begegnet: 
»In jenen Tagen sagt man nicht mehr: Die Väter haben saure Trauben gegessen und den Söhnen werden die Zähne stumpf. Nein, jeder stirbt nur für seine eigene Schuld; nur dem, der die sauren Trauben isst, werden die Zähne stumpf.« 

Gott vergilt jedem nach seinem Tun. Aber das ist keine Garantie für Wohlsein. Es ist nicht möglich mit Gott zu handeln nach dem Motto "Wenn ich nur alles erledige, geht es mir gut und ich bleibe verschont". So funktioniert das nicht. Eher noch andersrum: irdische Bedrängnis ist, spätestens seit der Bergpredigt, ein Zeichen für den Gnadenstand! Ihre Abwesenheit sollte Besorgnis auslösen, denn wo bleibt dann der "Stein des Anstoßes"?

Die Vergeltung geschieht nach dem Tod; der Lohn ist das ewige Leben.
Und genau das Fehlen dieser Perspektive, die wir im Credo bekennen (das "Leben der kommenden Welt"), ist heute wiederum für nicht wenige falsche Ansichten die Ursache. Wieviele Christen glauben noch an ein Leben nach dem Tod?
Wir würden heute unser Ungemach nicht mehr auf die Väter schieben, nein, wir machen es uns viel einfacher: wir schieben das Ungemach auf ein unbarmherziges Kirchenrecht, auf rückständige Moralvorstellungen, auf eine Welt die nicht unseren Wünschen gehorcht. 

Unser Sprichtwort könnte dann lauten: "Wir wollen unser Leben genießen, aber man lässt uns nicht. Wir werden unterdrückt!"
"Nein", antwortet Gott, "ihr unterdrückt euch selbst. Eure eigenen Taten sind die Last die euch zu Boden drückt und ihr werdet sie nicht los, indem ihr so tut als wäre jemand anders daran Schuld!"
Die Lehre der Kirche ist der unbequeme prophetische Mahner in der Wüste... wer es bekämpft und seine Schuld nicht eingesteht, muss mit den Konsequenzen rechnen... in diesem Leben und im kommenden.

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