Sonntag, 23. Dezember 2012

Schlüsselgewalt

Weil ich beim digitalen Aufräumen wiedermal über einen alten katechetischen Text von mir stolperte und ich weiß, dass das darin behandelte vielen nicht bewusst ist, will ich das (in Auszügen) mal hier reinstellen. Außerdem kam das ja dieser Tage (etwas anders und in anderem Zusammenhang) auch als O-Antiphon ins katholische Bewusstsein. Ich hatte das damals (in der Frühzeit meines Studiums) nur so ad hoc geschrieben, er erhebt also keinen Anspruch auf "Wissenschaftlichkeit". :)
Ausgehend von der Schlüsselgewalt, ein paar Gedanken über Petrus:

Vor Cäsarea Philippi fragte Jesus seine Jünger, für wen sie ihn denn hielten und Petrus antwortete mit jenem wundervollen Glaubensbekenntnis: "Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!" Woraufhin Jesus ihm beschenigt, dass dies speziell ihm, Petrus, vom Vater offenbart worden sei: "Jesus sagte zu ihm: Selig bist du, Simon Barjona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel [hat es dir offenbart]." (Mt 16,15f) Und Jesus fügt hinzu: "Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen" (18). Das bedeutet, auf irgendeine Weise soll die Gemeinde der Christen auf Petrus aufgebaut werden (nettes Detail am Rande: ab diesem Moment wird er im NT ausschließlich "Simon Petrus" oder nur "Petrus" genannt, der Name Simon allein wird bedeutungslos).

Anschließend verheißt ihm Jesus: "was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein." (19) Petrus wird hier von allen Aposteln gesondert indem ihm allein die Macht gegeben wird, Sünden zu Vergeben und auch Regeln zu erlassen. Später wird allen Aposteln eine ähnliche Vollmacht gegeben (18,18), aber es wäre falsch, wenn man, wie es Protestanten oft tun, einfach lapidar sagt, dass diese exakte Zusprache an Petrus darum für alle gilt. Denn Petrus erhält hier noch eine Zusprache, die sonst kein Apostel erhält. Jesus sagt: "Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben". Was bedeutet das?

In der Antike waren Schlüssel das Zeichen für Autorität schlechthin. Große Städte oder auch Paläste hatten meist ein besonderes großes Tor welches natürlich auch ein Schloss samt eines Schlüssels hatte. Die Ehrung, jemandem den "Schlüssel zur Stadt" zu geben, gibt es auch heute noch, nur ohne seine ehemals große Bedeutung: der Empfänger bekam damit freien Eintritt und völlige Kontrolle über die Stadt (d.h. er konnte bestimmen, wer eintritt, und wer nicht). Die Stadt zu der Petrus den Schlüssel erhielt, war keine Geringere als die Himmlische Stadt (vgl., Offb 2,12). Solch eine Schlüsselgewalt ist also in der damaligen Zeit auf alle Fälle mehr als ein bloßes Symbol.

Die Rede von derartigen Schlüsseln findet sich vor diesen Ereignissen nur an einer einzigen Stelle in der Bibel, nämlich bei Jesaja (22,22): "Ich lege ihm den Schlüssel des Hauses David auf die Schulter. Wenn er öffnet, kann niemand schließen; wenn er schließt, kann niemand öffnen." Es ist hier nahezu eine identische Formulierung. Das wir doch wohl kein "Zufall" sein? (Vgl. auch Offb 3,7)
Eljakim, selbst kein Adliger, erhält hier die "Schlüssel des Hauses David". Das sollte aufhorchen lassen!

In protestantischen Bibelkommentaren wird auf diese Stelle nicht näher eingegangen, es sei schlicht (wie in einer Chronik) ein Verwaltungsakt geschildert, dass hier halt jemand die Verantwortung für den Palast bekommt. Doch ein derartiges Verständnis wird der Bibel nicht gerecht: Vom Messias wird prophezeiht: "Seine Herrschaft ist groß und der Friede hat kein Ende. Auf dem Thron Davids herrscht er über sein Reich; er festigt und stützt es durch Recht und Gerechtigkeit, jetzt und für alle Zeiten." (Jes 9,6)

Für die Autorität und Identität Jesu ist es unerlässlich, dass er aus dem Hause Davids kommt (vgl. Mt 1,1ff). Und entsprechend wird die Herrschaft und der Thron Davids als Vorrausahnung auf die ewige Herrschaft und den Thron Gottes (in der himmlischen Stadt) gesehen. Wenn nun also einerseits Eljakim von dem Propheten(!) Jesaja die "Schlüssel des Hauses David" bekommt und andererseits Petrus von Jesus (der als endzeitlicher David auf Davids Thron sitzt) die "Schlüssel des Himmelreichs", ist das dann einfach ein Zufall, der keiner näheren Betrachtung bedarf? Oder hat Petrus hier vielleicht doch etwas ganz und gar Einmaliges erhalten?

Wäre das nicht enorm? Kann ein Mensch diese Last (die Gewalt darüber zu haben, wer in die himmlische Stadt eintreten darf!) überhaupt tragen?
Dass Eljakim kein Adeliger war, muss man indes auch als eine Warnung an das Königsgeschlecht verstehen: Nicht die Abstammung gibt den Ausschlag. (Vgl. Mt 3,6: "Gott kann aus diesen Steinen Kinder Abrahams machen.") Gott ist es, der beruft. Gott ist es, der befähigt.

Nach seiner Auferstehung, fragte Jesus Petrus dreimal, ob dieser ihn liebe. Dies in Anlehnung an die dreimalige Verleugnung des Petrus (Lk 22,56-61) bei Jesu Verhaftung. Jesus fragte ihn: "Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als diese? Er antwortete ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe. Jesus sagte zu ihm: Weide meine Lämmer! Zum zweiten Mal fragte er ihn: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich? Er antwortete ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe. Jesus sagte zu ihm: Weide meine Schafe! Zum dritten Mal fragte er ihn: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich? Da wurde Petrus traurig, weil Jesus ihn zum dritten Mal gefragt hatte: Hast du mich lieb? Er gab ihm zu Antwort: Herr, du weißt alles; du weißt, dass ich dich lieb habe. Jesus sagte zu ihm: Weide meine Schafe!" (Joh 21,15ff)

Dieser Auftrag, "Weide meine Schafe!", schließt auch die anderen Apostel mit ein, denn Jesus fragte ihn am Anfang ja recht ausdrücklich: "liebst du mich mehr als diese". Welche Bedeutung Petrus zukommt, wird auch an früherer Stelle ersichtlich, wenn Jesus zu ihm sagt: "Simon, Simon, der Satan hat verlangt, dass er euch wie Weizen sieben darf. Ich aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht erlischt. Und wenn du dich wieder bekehrt hast [nach der dreimaligen Verleugnung], dann stärke deine Brüder." (Lk 22,31f)

Daran sind zwei Dinge besonders interessant: 1. Jesus betet ganz besonders für Petrus, nicht etwa für alle Jünger. 2. Obwohl (oder gerade weil?) Petrus der einzige unter den Aposteln ist, der Jesus öffentlich (dreimal!) verleugnet, soll er es sein, der seine Brüder stärken und leiten soll (dazu sei an Mt 10,33 erinnert: "Wer mich aber vor den Menschen verleugnet, den werde auch ich vor meinem Vater im Himmel verleugnen."). Diese Verheißung ist ganz offensichtlich eine Vorwegnahme dessen, was ich eben beschrieben hatte bezüglich der dreimaligen Liebeszusage samt Hirtenauftrag (so wie ja auch die Verleugnung vorhergesagt wurde). Somit wird ersichtlich, dass Petrus tatsächlich eine ganz besondere Rolle zukommt, denn Jesus betete nur für ihn, dass sein Glaube "nicht erlischt" obwohl es wohl kein Umstand gewesen wäre, gleich für alle Jünger zu beten. Da es Jesus ist der betet, können wir zudem davon ausgehen, dass diese Bitte auf jeden Fall erfüllt wurde.

Natürlich darf man das alles nicht zu sehr überhöhen und ich halte es für durchaus für diskutabel, inwiefern man damit das Dogma der Infallibilitas des Papstes begründen kann, so richtig dieses Dogma an sich ist.

Nichts desto trotz darf die Schlüsselgewalt des Petrus(amtes) nicht unterschätzt werden. Es ist zu leicht, jene (doch so einmalige und unzweideutige) Verheißung Jesu abzutun.

Ein Prinzip nicht nur sichtbarer Einheit, ist das Petrusamt, sondern auch der Unabhängigkeit von individuellen, ideologischen und staatlichen Interessen. Etwas, das den Kirchen des Ostens wie den protestantischen Gemeinschaften abgeht. Jene und Teile von diesen sind fest an staatliche Strukturen gebunden, Letztere von nicht selten fragwürdigen Individuen abhängig, entweder in ihrer Gründung (Calvin u.a.) oder per se.




Tu es Petrus et super hanc petram aedificabo ecclesiam meam et tibi dabo claves regni caelorum.

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