Donnerstag, 7. Juni 2012

Politik und Sprache

niemand kommt zum Vater außer durch mich
»Wir wollen so sein, wie wir sind.«

Das war eine der zentralen Aussagen des freiburger Erzbischofs in seiner Predigt an diesem Fronleichnam. Ich fand die Predigt gelungen. 
Aber dieser Satz gab mir zu denken.
Seine Exzellenz erwähnte es als Unterscheidungsmerkmal. Der Kontext war der, dass wir (Katholiken), so der Erzbischof, mit der Hoffnung die wir hegen nicht unser Leben verlängern wollen, sondern, eben, so sein wollen, wie wir sind.
Es brachte mich v.a. darum ins Grübeln, weil ich von mir selber weiß, dass ich nicht so sein (oder bleiben) will, wie ich bin, sondern viel lieber so, wie Gott mich haben will.

Gewiss, man sollte nun nicht alles Mögliche in so einen Halbsatz hineininterpretieren, aber es ist doch schon bemerkenswert, wenn ein Ist-Zustand als Unterscheidungsmerkmal herangezogen wird, der nach dem Glauben der Kirche im Grunde nicht anderes ist als ein In-der-Welt-sein, ein In-der-Sünde-sein. Es mangelt dieser Sicht, wenn wir mal nur diesen Satz nehmen, irgendwo eine Perspektive, es mutet seltsam abgeschlossen an... erinnert irgendwie an das Konzept des Stuhlkreises: Auch dort genügt man sich selbst und bastelt mehr oder weniger fröhlich am eigenen Panier, mit dem man sich dann auf der Straße (den Medien) zeigt. Daher rühren auch jene überaus kreativen und hilfreichen Memoranden und Thesenpapiere und ihre Derivate.

Es scheint mir genau diese Zufriedenheit mit dem Faktischen, mit dem, sub specie aeternitatis notwendig unvollkommenen und vorläufigen, die dann auch zu solchen Aufrufen führt, man möge doch bittebitte den Erfordernissen der Zeit gerecht werden und "dri(/ä)ngende Reformen" von Glaubensinhalten veranlassen.

Um das zu ermöglichen, wählt man den orwellschen Weg, man erfindet eine eigene Sprache und garniert jede Äußerung mit einigen wohlklingenden Schlagworten.

  • Es wird zunächst aller Welt (den Menschen drinnen wie draußen und v.a. den Betroffenen) suggeriert, dass gegenüber kirchlich getrauten aber zivilrechtlich geschiedenen und wieder verheirateten Menschen in der Kirche "Diskriminierung" herrscht. Der Skandal wird also gezielt produziert.
  • Es wird ein apodiktisches "Gewissen" entdeckt, das aus unerfindlichen Gründen als oberster und v.a. objektiver Richter über die Gültigkeit von Glaubenssätzen und kirchlichen Lehren zu urteilen hat und das keinerlei Maßstab neben oder, Gott bewahre!, über sich duldet.
  • Es wird auf "Freiheit" gepocht und ein scheinbarer Gegensatz zu Dingen wie "Gehorsam", "Verbindlichkeit" und "Treue" konstruiert. Das Wort, das die Kreuzworträtsler an den Schreibtischen im Hintergrund damit zuckern wollen, ist übrigens "Autarkie" oder, weniger hochtrabend: "Selbstgerechtigkeit" (was dem christlichen Grundsatzes von der Erlösungsbedürftigkeit widerspricht).
  • Es wird "Barmherzigkeit" mit einer neuen Bedeutung belegt, nämlich: "Gönnerhaftigkeit". Somit kann man endlich jedem all das gönnen, was dieser fordert oder was man ihm mit oder ohne sein Einverständnis aus dem "eigenen" Fundus und in (fälschlich angenommener) eigener Verfügungsgewalt gönnen will.


Als Folge all dieser Begriffsschöpfungen wird eine wirkliche Lösung der Problematik unendlich erschwert. Denn wie soll man eine Krankheit heilen, wenn man von Beginn an die falsche Diagnose ("Diskriminierung") stellt, als Grundlage der Therapie die falschen Erkenntnisse ("Gewissen", "Freiheit") zugrundelegt und als Medikament ein nicht dafür vorgesehenes Präparat ("Barmherzigkeit" bzw. "Gönnerhaftigkeit") verwendet? 
Wird die Parole von der Diskriminierung nur lange genug wiederholt, glauben es irgendwann alle (v.a. die Betroffenen) und dann wird sich natürlich niemand mit einem Ergebnis zufrieden geben, solange nicht die diagnostizierte Pathologie behoben ist... sie wird aber nie behoben sein, denn sie ist nicht das eigentliche Problem und besteht hauptsächlich (von traurigen realen Beispielen in dieser Kirche voller Menschen/Sünder einmal abgesehen) als Gedankenspiel von Wünschen, politischen Programmen und einem Mangel an Bildung.


Natürlich scheint es auf den ersten Blick sinnvoll, einem Sünder die Kommunion nicht zu verweigern. Und es gab auch genug Kirchenväter die durchaus der Meinung waren, dass man, als sündiger Mensch, sowieso nie wirklich "rein" und also für den Sakramentenempfang "würdig" ist und man es deshalb auch in der (immer gegebenen) Sünde nicht zu unterlassen habe.
Aber bei näherem Hinsehen fällt auf, dass gerade in der frühen Kirche die offenkundige schwere Sünde noch viel drastischere Saktionen nach sich zog. Es ist nämlich ein Unterschied, ob ich meine Sünde im Herzen trage und im vollen Bewusstsein meiner Sünde zur Kommunion gehe (was durchaus eine heilende Wirkung haben kann!), oder ob ich als öffentlicher und hartnäckig darauf beharrender Sünder reuelos zu den Sakramenten hintrete: Wer zur Beichte geht aber eine objektiv schwere Sünde nicht bereuht (oder sie nicht einmal anerkannt obwohl er die Lehre der Kirche kennt!), dem kann keine Absolution erteilt werden. Wenn nun ein Priester so jemanden dennoch zur Beichte zulässt, muss ihm klar sein, dass sowohl er als auch der Pönitent damit nur wiederum eine weitere schwere Sünde begehen.


Wenn der Blick auf das momentan Faktische gerichtet bleibt und man sich also mit der Sünde arrangiert indem man sie ignoriert oder sie einfach zum So-sein rechnet, das man doch bitte bejahen soll, dann stimmt da etwas nicht.
Wer dann vor den Richterstuhl tritt und gefragt wird, warum er (möglicherweise jahrzehntelang) Ehebruch begangen hat ohne sich auch nur ein bisschen dafür zu schämen, wird es mit einem Verweis auf "pastorale" Erfordernisse der Zeit nicht besser machen.
 Einerseits spricht man der bewährten und beständigen Lehre der Kirche (und dem ungemein ausdrücklichen Gebort Jesu) seinen normativen Charakter ab. Andererseits sollen Pastoralpläne, Reformen und Aufrufe zum Ungehorsam dem "Heil der Seelen" dienen. Das verstehe wer will.

Das Eigene, das Hier und Jetzt wird zum Maßstab. Der Verweis auf "Der Sabbat ist für den Menschen da" trifft hier nicht, denn das würde bedeuten, eine Aussage Jesu gegen eine andere (Mk 10,11: "Wer seine Frau aus der Ehe entlässt und eine andere heiratet, begeht ihr gegenüber Ehebruch.") auszuspielen... Man muss es im Gesamten sehen und verstehen, dass Jesus eben kein Laissez-fair gepredigt hat, sondern durchaus klargestellt hat wie eng "die Pforte und wie schmal der Weg, der zum Leben führt" ist (Mt 7,14).

Man könnte das Stuhlkreis-Prinzip auch so formulieren: "Wir wollen so sein, wie wir uns selbst eingerichtet, das bewahren, was wir uns selbst eingebrockt haben."
Ich hab die Nase voll von  dieser fahrlässigen irreführung und Verblödung der Massen... statt dass man für das eintritt, wofür ungezähle Märtyrer mit ihrem Blut bezahlten und was die Kirche trotz aller Stürme der Zeit in unverbrüchlicher Treue zu ihrem Herrn bezeugt. Davon ausgehend, kann auch dem letzten Hinterbänkler ein Licht aufgehen über den wahren Wert der Sakramente und die Voraussetzungen für ihren Empfang.


»Der "mündige Glaube" ist in den letzten Jahrzehnten zu einem verbreiteten Schlagwort geworden. Aber man versteht häufig darunter eine Haltung, die sich nicht mehr von der Kirche und ihren Hirten belehren läßt, sondern selbst aussucht, was man glauben und nicht glauben will – einen selbstgemachten Glauben also.

Und man versteht darunter den "Mut", gegen das kirchliche Lehramt zu sprechen. Aber Mut gehört dazu in Wirklichkeit nicht, weil man dabei immer des öffentlichen Beifalls sicher sein kann.

Mut gehört viel eher dazu, zum Glauben der Kirche zu stehen, auch wenn er dem "Schema" dieser Weltzeit widerspricht. Diesen Nonkonformismus des Glaubens nennt Paulus einen erwachsenen Glauben. Es ist dies der Glaube, den er sich wünscht. Das Mitlaufen mit den Winden und Strömungen der Zeit (vgl. Eph 4, 13f) nennt er hingegen kindisch.«

(Papst Benedikt XVI.; Predigt am 28. Juni 2009 in der 1. Vesper zum Abschluss des Paulus-Jahres 2008-2009; zitiert nach Frischer Wind, Danke für den Hinweis!)

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